Haiti versinkt nach dem Erdbeben in Schlammmassen
Mein Mann und ich hatten uns in der Nähe der sogenannten „Sonnenstadt“ dem Armutsviertel von Port au Prince niedergelassen, denn da war Hilfe besonders von Nöten.
In der ersten Woche hatten wir einige Tierschützer aus Österreich und Deutschland mit dabei, die uns freundlicherweise unterstützten, aber leider wuchsen ihnen die verheerenden Zustände vor Ort so über den Kopf, dass sie die Heimreise antreten mussten.
Schutz und Sicherheit gegen Bezahlung bekamen wir beide dann von einheimischen Tierfreunden, die dankbar waren, wieder Arbeit gefunden zu haben.
Die Hauptstadt Port au Price war mehr als alle anderen Städte gezeichnet von den Mächten der höheren Gewalt. Die derzeit starken Niederschläge trugen zu einer unmenschlichen Lebenssituation bei.
Die Hanglage der Stadt bewirkt, dass sich der Unrat aus den Straßen der höher gelegenen Stadtteile im Tal sammelte. Der Gestank war bedingt durch die Hitze unerträglich und manchmal hang auch ein bestialischer Verwesungsgeruch in der Luft, der einem den Magen umdrehte. Die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten war besonders gegeben.
Die Regenfälle haben Fußwege in Schlammseen verwandelt. Das alles macht Essen kochen, Kleidung waschen, sauber zu bleiben und Krankheit zu vermeiden für die Haitianer noch schwieriger.
Die betroffenen Städte sehen so aus, als wäre das Erdbeben erst vor drei Tagen und nicht vor gut vier Monaten passiert. In Port-au-Prince ist fast jedes zweite Haus eingestürzt und die Trümmerberge sind noch nicht ansatzweise weggeräumt. Jede freie Fläche, die nicht von Trümmern bedeckt war, wurde mit notdürftigen Zelten gepflastert. Verzweifelt versuchten dort die Haitianer ihr letztes Hab und Gut vor den ablaufenden Wassermassen zu schützen. Dazwischen ihre Ruinen, die sie von Hand abtrugen.
Unser erster Eindruck war eher, dass sich in Haiti mit den Aufräumungsarbeiten wenig getan hat, denn schwere Räumungsgeräte bekamen wir nie zu Gesicht und während unseres einmonatigen Aufenthaltes sichteten wir nur zwei Bagger. Alles lag in Schutt und Asche, aber die Menschen strahlten einen unheimlichen Optimismus aus, dass alles irgendwie besser werden wird. Es war bewundernswert, mit welcher Geduld und Freundlichkeit die Einheimischen sich von den Ausländern fotografieren ließen und ihre Fragen beantworteten. Sie waren für jede Hilfe unendlich dankbar.
Mein Mann und ich fuhren oft in eine andere Gegend und erlebten wieder neue Menschen und neue Schicksale. Täglich sahen wir viele Menschen, die unter den schlechtesten hygienischen Bedingungen leben mussten. Jeder kann sich vorstellen, wie hoch die Gefahr einer Erkrankung war.
Wir sind überall sehr freundlich empfangen worden. Viele Menschen haben ihre Zelte in der Nähe ihrer zerstörten Häuser aufgerichtet. Aus Angst vor neuen Erdbeben trauten sie sich nicht mehr in Häuser hineinzugehen, die noch so halbwegs bewohnbar waren. Viele der beschädigten Häuser wurden gefährlich, da sie unter der immensen Wasserlast während der Regenperiode einstürzten.
In den Flüchtlingslagern herrschte insgesamt eine recht friedliche Stimmung, nur war es nicht ratsam, ohne Schutz oder als Frau alleine auf die Strassen zu gehen.
Ich bin froh, dass niemandem etwas passiert ist, da manche Gebiete mit hohen Gefahren verbunden waren.
Es war mit Sicherheit eine meiner gefährlichsten Reisen und ich bin froh dass wir uns außer Durchfälle nichts zugezogen hatten.
Ich rate niemanden ohne Schutz oder Erfahrung nach Haiti zu fliegen, denn durch die Armut haben sich Banden gebildet, die unberechenbar werden können. Besonders kritisch kann es werden, wenn man versucht, Hilfsgüter selbst und alleine zu verteilen, da hört dann jede Nächstenliebe auf. Zum Teil rissen die stärkeren Männer die verteilten Waren den Frauen und Kindern aus der Hand oder stiegen auf die Fahrzeugdächer, um schneller an die Nahrungsmittel zu gelangen.
Gebettelt wurde überall und wehe wenn wir mit Taschen durch die Gegend gegangen sind.
Als Fazit der Reise kann ich nur sagen, dass sie sehr lohnenswert war. Wir sind alle überglücklich, so vielen Menschen und Hunden geholfen zu haben.
Mein Mann und ich haben für rund 30 Hunde eine Bleibe anmieten können, wo sie bis zu ihrer Abgabe verpflegt und betreut werden. Alle diese Hunde hatten ihre Hundehalter in den Trümmern verloren und wurden zu Waisen bzw. Strassenhunden. Alle diese Hunde sind auf den Schutz des Menschen angewiesen und ohne sie verloren.
Unsere Arbeit bestand daraus, als Erstes einen Tierarzt zu organisieren. Auch die Suche nach einer Bleibe für die eingefangenen Hunde war ein Primärproblem.
Danach war die Teilung für Hunde, welche sich nicht vertragen könnten oder zu viel Stress hatten, eine Herausforderung.
Die Hunde waren überwiegend morgens oder abends in der Nähe von Abfällen und Trümmern zu finden.
Manche waren sehr verstört und völlig ängstlich vom Erlebten. Dank meiner Kenntnisse und Erfahrung über die Beschwichtigungssignale und das Wissen rund um den ängstlichen Hund konnten wir sie dennoch überzeugen, sich uns anzuvertrauen.
Hier zeigte sich wieder einmal, wie wichtig es ist, die Körpersprache und Signale der Hunde zu kennen, um sie nicht noch mehr zu erschrecken und ihnen das Gefühl einer Bedrohung zu geben. Nur so war es möglich, ihnen näher zu kommen.
Der erste Schritt bestand daraus Futter aus geringer Ferne zu zuwerfen und sich dann in winzig kleinen Schritten den hungrigen und sehr scheuen Hunden in ihrer Situation zu nähern.
Die Hunde waren alle sehr abgemagert und sahen so schlimm aus, das es und fast das Herz zerriss.
Einmal ist einen der Mädchen ein Hund ausgebüxt, der sehr ängstlich und scheu war. Der kleine Maxi hat uns ganz schön auf Trab gehalten und uns auch in Lebensgefahr gebracht. Ich war schon auf dem Weg ins Bett, als ich gerufen wurde. Maxi ist in eine Gegend gelaufen, wo man sich besonders in der Dunkelheit nicht aufhalten sollte. Dennoch hat es sich gelohnt. Es gelang mir glücklicher Weise abermals Maxi zu überzeugen stehen zu bleiben. Und so konnte ihn noch einmal zu mir nehmen, um ihn in Sicherheit zu bringen.
Als sich mein Mann umdrehte, war genau das passiert, was wir ständig zu vermeiden versucht hatten. Wir waren nun von einer Strassenbande umzingelt. Die Situation war ziemlich brenzlig und ich versuche mit Händen und Füssen zu erklären was wir hier wollten und warum wir hier waren. Dank Körpersprache gelang das sehr gut. Wir zeigten, dass wir bis auf 20.- Dollar, Fleisch für den Hund und Leine nichts Wertvolle mehr an uns hatten. Gott sei Dank verlangten sie nicht mehr gaben sich mit dem Geld und der Hundeleine zufrieden. Was die damit wollten ist mir schleierhaft, aber wir waren sehr froh so glimpflich entkommen zu sein. Das Herz klopfte uns noch lange danach. Aber wir hatten Maxi nicht verloren und wir brachten in „Heim“ in Sicherheit und das war uns das Wichtigste.
Die Lage der Einheimischen wird sich immer mehr verschlechtern, denn kaum wird die Regenzeit vorbei sein, fangen die Tropenstürme an und die Hurrikansaison öffnet seine Pforten. Aber dem nicht genug, besonders schlimm ist es, dass die Aufmerksamkeit der Außenwelt von Tag zu Tag schwächer wird und Hilfe immer rarer, einfach schrecklich!
Mein Aufruf: Bitte hört nicht auf zu helfen!
Edith Kirchberger
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Edith Anna Kirchberger
Teichstrasse 18
4623 Pichl/Wels