Einkaufen ist zunächst einmal die Beschaffung von Waren gegen Geld. Privatpersonen kaufen im Einzelhandel ein, alledings können sie auch über Direktbezug von Produzenten oder Landwirten, von Handwerkern oder anderen Privatpersonen oder über das Internet einkaufen. Als „Shopping“ wird das Besuchen von Geschäften und das Flanieren durch Ladenstraßen und Einkaufszentren bezeichnet.
Titel: „Der Rausch im Konsumtempel“
Subline:
Was bedeuten die veränderten Einkaufsgewohnten für die Innenstädte?
Meldung:
Der Einzelhandel in den Städten befindet sich auf dem Rückzug gegen das allgegenwärtige Onlineangebot, kann häufig nur noch mit qualifizierter Beratung gegengehalten werden. Aber nicht selten lassen sich die Kunden beraten und kaufen dann im Internet. Damit verändert sich aber auch das Stadtbild. Fachgeschäfte verschwinden, Filialisten übernehmen die Standorte. Kaufhäuser, Versandhäuser, all die über Jahrzehnte liebgewonnenen Einkaufswege sind im Wandelt und das merkt man auch in den Innenstädten. Statt Kurzwarenabteilung sind nun Erlebnislandschaften. Kleine Sektbars mit Pianobegleitung lassen den Einkauf zum Erlebnis werden. Was bedeutet das für die Städte? Wir sprachen darüber mit dem Soziologen Sacha Szabo (http://www.sacha-szabo.de/) der für das Institut für Theoriekultur (http://institut-theoriekultur.de/) Alltagskulturen untersucht.
Warum beschäftigt sich ein Soziologe mit dem Einkaufen?
Sacha Szabo: Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel zwischen dem Onlineshopping und, nennen wir es, das Offline Shopping, also dem herkömmlichen Einkaufen in der Stadt. Viele der Käufe werden heute im Internet getätigt, sodass herkömmliche Verkaufswege teilweise wegbrachen, wie etwa das Geschäft über Versandkataloge oder eben der Einkauf in den Innenstädten. Allerdings wandelte sich das Bild der Innenstädte nicht erst durch die Online-Angebote, sondern schon vor Jahrzehnten durch die Einkaufcenter auf der grünen Wiese.
Was hat sich denn verändert?
Sacha Szabo: Man muss zwei Begriffe, die sich teilweise auch überlagern, trennen. Einkaufen ist nicht Shopping. Beim Einkauf hat der Käufer eine Kaufabsicht, meist für ein bestimmtes Produkt. Das Shoppen hingegen ist eher ein zielloses umherschlendern. Man ist ein wenig an Walter Benjamins Beschreibung des Flaneurs erinnert. Viele der Fachgeschäfte in den Städten sind verschwunden und dort haben sich inzwischen Filialisten einquartiert. So wirken viele Städte austauschbar, da sich die gleichen Läden in den Einkaufsmeilen befinden. Allerdings bekommen nun diese Filialisten wiederum Konkurrenz durch das Internet. Häufig wird nun bemerkt, dass Kunden Waren in den Städten ausprobieren, aber dann günstiger im Internet kaufen.
Das wird ja zu Recht als Unsitte betrachtet.
Sacha Szabo: Für den beratungsintensiven Fachhandel ist das ein großes Ärgernis. Man denke, jemand will eine Kamera kaufen, lässt sich lange beraten und kauft dann im Internet. Aber mit dem Verschwinden der kleinen Fachgeschäfte verschwindet auch noch mehr, nämlich die Möglichkeit bestimmte Artikel anzufassen. Ein Blick auf ein Foto kann nicht den Eindruck, um ein völlig beliebiges Beispiel zu nehmen, eines Knopfes wiedergeben. Hinzu kommt, dass viele der Fotos auch noch kunstvoll arrangiert sind. Auch geht Wissen um bestimmte Qualitätsmerkmale verloren, die muss sich jetzt der Käufer auch mühsam über Foren zusammensuchen. Allerdings wuchs der Druck auf die kleinen Fachhändler eben durch die großen Einkaufszentren in den Industriegebieten.
Was bedeutet das für die Städte?
Sacha Szabo: Die Art des Einkaufs in der Stadt wandelt sich. Wurden früher Gebrauchsgüter und Güter des täglichen Bedarfs in der Stadt gekauft, so ist die Stadt jetzt stärker auf das Shopping angelegt. Der Stadtbummel ist nun die Hauptstrategie, um in der Stadt zu konsumieren. Damit geht auch eine Veränderung der Warenpräsentation einher. Waren früher in den Fachgeschäften Muster zu sehen, Kartons mit Waren und thematisch arrangierte Auslagen, so verspricht der Einkauf heute ein Erlebnis innerhalb einer Einkaufswelt zu werden. Die Art also, wie Waren präsentiert werden sind – man kann es so nennen – einer anderen Erzählung gewichen. Bestimmte Marken werden ein Statement und das Arrangement dieser Produkte mit anderen, stellt Identitätsmuster bereit.
Was heißt das?
Sacha Szabo: Man geht nun in die Stadt, taucht in eine Erlebniswelt ein und sucht die Utensilien für die Rolle aus, die man sozial zugeschrieben bekommen will. Es ist eine große Inszenierung und diese Inszenierung hält für jeden Teilnehmer auch die entsprechenden Rollenmuster bereit. Man taucht also beim Einkauf in diese Welt ein, die sich auch von dem normalen rationalen Handeln entfernt. Verschiedene psychologische Tricks sorgen zudem dafür, dass das zweckrationale Handeln außer Kraft gesetzt wird und man verfällt einem Konsumrausch. Diese irrationale Ebene spiegelt sich auch bildlich in der Bezeichnung „Konsumtempel“ wieder.
Einkaufen als Rausch?
Sacha Szabo: Bestimmte Belohnungsareale im Gehirn werden stimuliert, das wäre eine biologische Erklärung. Aber es geht noch um mehr. Der Alltag, der sich durch ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Verantwortungsbewusstsein auszeichnet, kann hier vergessen werden. Zynischer Weise bezahlt man nun diesen Ausbruch genau mit dem Geld, das man zuvor mit der disziplinierten Arbeit erworben hat. Das heißt, der Kapitalismus verwertet auch noch die Fluchtbewegung.
Gibt es nichts Positives was man über das Shoppen sagen kann?
Sacha Szabo: Dass man sich diese Ausführung so negativ darstellt, hat nur etwas damit zu tun, dass Nützlichkeit und rationales Handeln als wertvoll angesehen werden. Das Shoppen aber ist etwas Lustvolles, etwas Triebhaftes, etwas das der Verschwendung frönt. Wenn man also Shoppen geht, dann sollte man sich nicht um dieses wohlige Gefühl betrügen, indem man es mit Nützlichkeiten maskiert. Es ist eine Hingabe und diese sollte dann auch vollkommen ausgekostet werden. Das schlimmste wäre, sich der Lust hinzugeben und dann ein schlechtes Gewissen zu haben. Allerdings ist das ein durchaus häufiges Motiv.
Wie kaufen Sie ein?
Sacha Szabo: Ich mag für die Einkäufe des täglichen Lebens Discounter, reduziertes Warenangebot und eine schnelle Abfertigung an der Kasse, für die für mich lästige Tätigkeit. Das Shoppen hingegen gehe ich von vorherein mit der Absicht an, einen bestimmten Betrag auszugeben und das genieße ich dann auch.
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